Zentralasien-Newsletter 1/2002

Europäisches “Outfit” - Das äußere Erscheinungsbild und die innere Politik Usbekistans
“Das Referendum - mehr als nur maximalen Nutzen aus den Bündnisbeziehungen zur einzigen Supermacht ziehen”
Wer soll die “heilige Kuh” melken?
Dokumentation:
“Über die Durchführung eines Referendums”
Zusammenarbeit bei Wasser- und Energieversorgung
US-Militär-Präsenz
Selesnjow gegen ständige amerikanische Militärpräsenz in Zentralasien

Auszüge:

“Das Referendum - mehr als nur maximalen Nutzen aus den Bündnisbeziehungen zur einzigen Supermacht ziehen”
von
Achmed Chakasarow


Die Tage bis zum Referendum in Usbekistan sind gezählt. Erinnern wir uns: Auf der Sitzung des Olij Madschlis im Dezember wurde der Beschluß über die Abgabe einer Willenserklärung des ganzen Volkes am 27. Januar gefaßt, deren Ergebnisse laut den Konzeptionen der Politikwissenschaftler die legitime Grundlage für die lange geplante Transformation des Parlaments (in ein Zweikammernparlament) und die Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten (von fünf auf sieben Jahre) legen sollen. Gerade diese beiden Fragen werden zur allgemeinen Abstimmung vorgelegt, und die Ergebnisse sind absehbar. Die usbekische Wählerschaft stimmt gewöhnlich “wie es sich gehört”. Sicherlich wird das auch am 27. Januar der Fall sein. Es wird wohl kaum besonders von Nöten sein, die öffentliche Meinung zu manipulieren. Das Ansehen von Präsident Islam Karimow in der Republik ist unanfechtbar hoch, und unter den Bedingungen der sich günstig entwickelnden geopolitischen Situation hat der Vertrauenskredit für das Staatsoberhaupt in der usbekischen Gesellschaft Werte erreicht, neben denen sich sogar die hohe Zustimmung der russischen Gesellschaft zu Wladimir Putin vor seiner Wahl bescheiden ausnimmt.

Eine andere Sache ist, daß in der in Usbekistan entstandenen Interessenslage des Staates (vertreten durch seine Führungselite) ein derartiger Ausgang des Referendums, das heißt die Zustimmung keineswegs den Interessen der usbekischen Gesellschaft (vertreten durch seine Wähler) entgegensteht. Diese Interessen bestehen darin, einen maximalen Nutzen aus den Bündnisbeziehungen zur einzigen Supermacht zu ziehen und im Zuge dessen einen schmerzlosen und konfliktfreien “Transit” des Landes in die Marktwirtschaft und die vollwertige Demokratie zu gewährleisten, was im gesamten postsowjetischen Raum bisher noch keinem Staat gelungen. Die usbekische Wäh-lerschaft hat gewichtige Gründe, die Lösung einer solch wichtigen Aufgabe gerade dem jetzigen Staatsoberhaupt anzuvertrauen. Auch wenn diese zuweilen von den Kritikern des “autoritären asiatischen Regimes” aus den wohlgenährten und prosperierenden demokratischen Ländern grundlos ignoriert werden. Anzumerken ist, daß diese die besondere Spezifik der mit Problemen überladenen Region in der Regel nicht berücksichtigen.

Der Hauptgrund ist, daß es Islam Karimow, obwohl Usbekistan nicht gerade beeindruckende wirtschaftliche Erfolge aufzuweisen hat, unter den kompliziertesten Bedingungen der Übergangsetappe gelungen ist, massiven sozialen Konflikten auszuweichen. Staaten, die hastiger und unüberlegter als Usbekistan die Demokratie angestrebt haben, müssen die katastrophalen Folgen derartiger Konflikte heute überwinden. Man muß nicht weit gehen, um dafür Beispiele zu finden. Die Kritiker haben sich niemals das Vergnügen nehmen lassen, Karimow Einschränkung der Freiheiten und Verfolgung der Opposition vorzuwerfen. Sie haben dabei aber bisweilen außer acht gelassen, daß das Schicksal einiger sogenannter “zentralasiatischer Demokratien” ein ganz anderes sein könnte, hätte nicht der sogenannte “Autoritarismus” des usbekischen Staatsoberhaupts die Republik mit ihren 25 Millionen Einwohnern im Zaum gehalten.

Es ist schwer vorstellbar, wohin sich die zentralasiatische Region entwickelt hätte, wenn sich in den 90er Jahren auch die Ereignisse in Usbekistan nach einem anderen Szenarium beispielsweise dem tadschikischen, armenischen, kirgisischen, russischen, georgischen oder turkmenischen entwickelt hätten. Die einfachen Bürger in Usbekistan verstehen dies, einige “Analysten” außerhalb Usbekistans jedoch nicht so sehr. Deshalb sehen sie im Beschluß des Olij Madschlis vor allem das Bestreben von Islam Karimow, seine Machtbefugnisse zu verlängern. Sie vergessen dabei allerdings, daß sich Karimow, wenn er es wollte, eine lebenslange Präsidentschaft einrichten könnte, für die es ausreichende Unterstützung gibt.

Während die Kritiker die Polemik um die Amtszeit des Präsidenten verschärfen, bagatellisieren sie bewußt oder unbewußt die Bedeutung einer anderen Frage, die der Volksabstimmung obliegt. Und diese Frage ist sicherlich sogar noch wichtiger für Usbekistan, bedeutet sie doch den Beginn einer qualitativ neuen Etappe in der Geschichte des jungen usbekischen Parlamentarismus.

Im Prinzip hat man sich in der Republik schon seit langem auf eine Reform der höchsten Legislative vorbereitet, aber es ist wohl kaum jemand davon ausgegangen, daß die usbekische Führung gerade mal zwei Jahre nach den Parlamentswahlen eine so bedeutsame Umstrukturierung des Olij Madschlis und das Rotationsverfahren für Abgeordnete beschließen würde. Es wäre sehr vereinfachend, würde man dies nur mit der günstigen geopolitischen Lage erklären wollen. Zumal Karimow niemals Beschlüsse gefaßt hat, denen ausschließlich konjunkturelle Vorstellungen im Hinblick auf die sich entwickelnden Beziehungen zum demokratischen Westen zugrunde liegen. In der Regel zieht er es vor, nicht unbedingt immer als demokratisches, dafür aber immer als selbstständiges Staatsoberhaupt zu wirken.

Offensichtlich scheint es heute angebracht, über bestimmte innere Prozesse in der usbekischen Gesellschaft zu sprechen, die die Notwendigkeit erstehen ließen, das politische System der Republik der allgemein üblichen demokratischen Norm anzupassen. In erster Linie geht es darum, die Beteiligung einer neuen Generation von Professionellen an der große Politik auszubauen, das heißt, einer Generation, deren Weltanschauung und politische Standpunkte sich bereits in der Epoche der Unabhängigkeit herausgebildet hat.

Das Unterhaus wird aller Wahrscheinlichkeit nach künftig ständig tagen, während das Oberhaus, das die Interessen der Regionen vertreten wird, in periodischen Abständen zu Plenartagungen zusammentreten wird. Übrigens ist der Präsident bereit, einen Teil seiner Vollmachten mit dem Oberhaus zu teilen. Um welche Vollmachten es sich genau handelt, ist noch nicht bekannt.

Von nicht geringerem Interesse sind auch andere Fragen: Werden vorgezogene Wahlen durchgeführt? Haben diese dann einen echten Mehrparteiencharakter? Wird es Verfassungsänderungen geben, wenn ja, welche? Wie werden die Funktionen zwischen den Kammern aufgeteilt? Wird das neue Parlament wirklich demokratisch sein? Wie werden sich seine Beziehungen zum Präsidenten gestalten? Und wird diese Parlamentsreform die erwarteten Ergebnisse bringen?

Mit einer gewissen Sicherheit kann man heute lediglich die Abstimmungsergebnisse des Referendums voraussagen. Am 27. Januar wird die wahlberechtigte Bevölkerung Usbekistans die ihr gestellten Fragen mit hoher Wahrscheinlichkeit zweimal bejahen. Aber die Zeit wird zeigen, ob die Wähler selbst bejahende Antworten auf die von mir formulierten Fragen erhalten. Man möchte daran glauben, daß das in allernächster Zeit geschieht.
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Zusammenarbeit bei Wasser- und Energieversorgung


Anfang Januar reiste eine Delegation des tadschikischen Energieministeriums unter Leitung von Minister Abdullo Jorow nach Taschkent. Die Delegation sollte ein Regierungsabkommen zwischen Usbekistan und Tadschikistan über die Zusammenarbeit bei der Energie- und Wasserversorgung erarbeiten. Teil der Übereinkunft sollten auch die Fragen der Zahlungen für Gas- und Elektrizitätslieferungen sein.
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US-Militär-Präsenz


Zur Präsenz amerikanischer Truppen in Usbekistan erklärte der usbekische Präsident Karimow am 28. Dezember 2001 in Taschkent, daß er keinen festen Zeitpunkt für den Abzug der amerikanischen Truppen nach dem Ende der internationalen Anti-Terroroperation in Afghanistan gesetzt habe. Gegenüber Journalisten führte Karimow aus, “wir haben keine Verhandlungen mit den Amerikanern darüber geführt, wie viele Jahre, sie den Militärflughafen Khanabad nutzen werden.”
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Selesnjow gegen ständige amerikanische Militärpräsenz in Zentralasien


Für den Vorsitzenden der russischen Staatsduma Gennadi Selesnjow ist eine ständige Präsenz der amerikanischen Stützpunkte in Zentralasien unzulässig. Dies erklärte der Dumavorsitzende am 9. Januar 2002 auf einer Pressekonferenz in der kasachstanischen Hauptstadt Astana. Selesnjow hielt sich an der Spitze einer Delegation der Staatsduma zu offiziellen Besuchen in Zentralasien auf.
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