Wostok Newsletter 09/2000

Die Opposition zu Putin ist nur schwer zu identifizieren
Der Haushalt 2001 - schon in zweiter Lesung angenommen
Wer ist der Nächste auf der "Schwarzen Liste"?
Die Steuerpolizei - der jüngste Geheimdienst Rußlands. Teil I
Die Wahl des Präsidenten - ein hausgemachtes Problem
Privatisierung der Wein- und Tabakindustrie in Moldowa
Wertung der Wahlen in Belarus - die russische Sicht
Auf der "Insel der Demokratie" wurde gewählt
Haushaltschaos in der Ukraine
Aserbaidschan hat ein neues Parlament gewählt
und viele Kurzbeiträge und Informationen, z.B.:
Dramatischer Bevölkerungsrückgang in Rußland
Bereinigung des ukrainischen Medienmarktes

Auszüge:

Wertung der Parlamentswahlen in Belarus - die russische Sicht

Eine sechsköpfige Delegation der russischen Duma beobachtete den Wahlverlauf in Belarus am 15. Oktober. Wir dokumentieren ihre Eindrücke, die sie der Russischen Staatsduma darlegten, in leicht gekürzter Form.


Georgi Tichonow, "Volksmacht":
Die sechs Mitglieder unserer Delegation vertraten praktisch alle Fraktionen und Gruppen der Staatsduma, doch möchte ich betonen, daß uns, als wir in Minsk waren, keine politischen Differenzen trennten. Wir traten dort als Team auf und haben intensiv gearbeitet. In dieser Hinsicht bin ich sehr erfreut über die von unserer Gruppe geleistete Arbeit. Wir haben die Städte und Gebiete unter uns aufgeteilt, um in der ganzen Republik Eindrücke zu sammeln. Unsere Erklärung, daß wir mit dem Verlauf der Wahl zufrieden sind, wurde von allen Mitgliedern der Gruppe unterzeichnet. Nach den Erklärungen im Rundfunk und im Fernsehen sowie in den wichtigsten westlichen Printmedien, in denen diese Wahlen nicht anerkannt wurden, erklären wir einstimmig, daß die Wahl normal und in demokratischer Weise durchgeführt wurde. Wenn es Anmerkungen seitens der Wahlbeobachter gab, waren sie eher technischer Natur.

Einige Anmerkungen möchte ich machen. Erstens hätten die Wahllokale unserer Ansicht nach nicht schon um 20.00 Uhr, sondern erst um 22.00 Uhr schließen sollen, da die Wahl an einem Sonntag stattfand. Sie wissen, daß die Mehrheit der Einwohner von Minsk - wie die von Moskau - an ihren freien Tagen die Stadt verläßt, um auf ihre Datschen zu fahren. Nach Schließung der Wahllokale kamen noch Wähler, um ihr Wahlrecht in Anspruch zu nehmen.

Zweitens waren die Stimmzettel nur in Belarussisch. Da es in Belarus zwei Staatssprachen gibt, wäre es erstrebenswert gewesen, wenn die Wahlzettel in beiden Sprachen - Belarussisch und Russisch - gedruckt worden wären.

Nun das unerfreuliche Dritte. Nachdem die Vertreter der europäischen "Troika" angekommen waren, erklärten sie bereits vor dem Wahltag, daß sie die Wahlen nicht anerkennen würden, da eine Reihe von Forderungen offen sei. Viele von uns wohnten dem Treffen der "Troika" mit dem belarussischen Präsidenten bei. Die Vertreter der europäischen Organisationen hatten keine Antwort, als Alexander Lukaschenko sie fragte: "Was wollen Sie noch? Ich habe alle Ihre Forderungen erfüllt!" Wie muß man ihre vor den Wahlen abgegebene Erklärung verstehen, daß sie mit den Wahlen nicht zufrieden sind? Sollen wir dies als Beispiel tätiger westlicher Demokratie verstehen?

Auf der Pressekonferenz nach der Wahl gaben diese drei Vertreter, ohne daß sie ein Wahllokal besucht hätten, Erklärungen ab, die sich uns nicht ganz erschlossen. Die unerfreulichste Situation war, als diese "Beobachter" sich an die Angehörigen der Opposition wandten und diese wegen ihres Mangels an Einmütigkeit bei den Wahlen und ihrer schlechten Darstellung angriffen. Wenn diese Beobachter oder wie immer sie sich selbst auch nennen, in ein anderes Land kommen, um solche Erklärungen abzugeben, ist dies zumindest unethisch. Dies sind meine Anmerkungen dazu, aber wichtiger ist, daß die Wahlen stattfanden. In 110 Wahlkreisen wurden in der ersten Wahlrunde 43 Abgeordnete gewählt. Die Wahlen in dreizehn Wahlkreisen, davon drei in Minsk, wurden als ungültig gewertet.

Ich möchte mich in einer anderen Art und Weise an die Opposition wenden als es unsere europäischen Kollegen getan haben. Da die Opposition zum Boykott der Wahl aufgerufen hatte, erhielt sie selbst in den Wahlkreisen, in denen sich Oppositionskandidaten zur Wahl gestellt hatten, nicht einmal fünfzig Prozent der Stimmen. Die Opposition hat also gegen sich selbst gearbeitet.

Wjatscheslaw Igrunjow, JABLoko:
Es kommt selten vor, daß ich, als Vertreter der "Apfel-Partei", den Ansichten meines Kollegen Tichonow zustimme. Ich möchte mit einem gewissen Widerspruch beginnen. Natürlich ist es auf der einen Seite sehr schwierig, Alexander Lukaschenkos Präsidentschaft als demokratisch zu bezeichnen. Der Widerspruch ist aber, daß diese Wahl demokratisch und frei war. Lukaschenko hat alles getan, damit sie nach Geist und Buchstaben der Gesetze durchgeführt wurde.

Ich konnte den Wahlverlauf in 22 Wahllokalen beobachten und war bei der Stimmauszählung in zwei Wahllokalen anwesend. Ich habe Wahlkreiskommissionen besucht und kann sagen, daß die Sorgfalt, mit der deren Mitglieder die Gesetze beachtet haben, keine Analogie bei Wahlen in der Russischen Föderation hat. Ich hoffe, daß die Zeit kommt, daß auch die Wahlen in der Russischen Föderation in so rigoroser Weise und strenger Übereinstimmung mit den Gesetzen durchgeführt werden, wie dies in Minsk der Fall war. Natürlich geschah dies nicht, ohne Einflußnahme seitens der Behörden. In jedem Wahlkreis gab es einen von der Verwaltung eingesetzten Kurator, an den sich die Mitglieder der Wahlkreiskommissionen wenden konnten. Diese Kuratoren vertraten jedoch nicht die Position Lukaschenkos und sie versuchten wirklich, die Bedingungen für eine genaue Wahlbeobachtung zu schaffen. Ich wiederhole, daß ich weder besondere Gesetzesverstöße noch einen besonderen Druck seitens der Behörden bemerkt habe.

Ich möchte anmerken, daß diese Wahlen für die demokratische Opposition nicht sehr erfolgreich verlaufen sind. Dies hängt zweifellos mit den allgemeinen Bedingungen des politischen Lebens in Belarus zusammen und vielleicht mit dem verglichen mit Rußland Mangel an demokratischer Entwicklung. In erster Linie aber ist dies mit dem Versuch verbunden, die Wahlen zu boykottieren, denn die demokratischen Wähler sind zuhause geblieben, anstatt zu den Wahlurnen zu gehen. Im Wahlkreis 107 hätte meiner Ansicht nach Nikolai Statkewitsch, einer der Führer der Opposition, die größten Chancen gehabt, bereits im ersten Wahlgang zu gewinnen. Da die Wahl stattfand, hätten sich seine Wähler auch beteiligen sollen, doch vor allem sie boykottierten die Wahlen. Dies ist eine gewisse Absurdität, die zu Irritationen im Lager der Opposition führte.

Was die westliche öffentliche Meinung betrifft, hat Herr Tichonow bereits angemerkt, daß die "Troika" ihren Bericht bereits am Freitag vor der Wahl geschrieben hat. Am Montag wurde er dann vorgelesen, ohne daß ein Punkt oder ein Komma verändert worden wäre. Innerhalb der europäischen Delegation gab es diesbezüglich Auseinandersetzungen, aber die Offiziellen haben sich geweigert, auf seitens internationaler Beobachter eingebrachte Anmerkungen und Beobachtungen zu reagieren, da sie nicht mit ihren Absichten übereinstimmten. Die französischen, polnischen und schwedischen Abgeordneten hatten ihre eigene Meinung darüber, wie die Wahl durchgeführt wurde. Die Mehrheit derjenigen, die nicht zu den "Offiziellen" gehörten, bemerkte zur Wahl, daß sie korrekt und entsprechend der Gesetzgebung durchgeführt worden war und die demokratischen Normen erfüllte. Diesen Beobachtern wurde im Konferenzsaal nicht die Möglichkeit gegeben zu sprechen. Dieses Verhalten der europäischen Delegation schuf ernste Auseinandersetzungen, vor allem zwischen verschiedenen westlichen Beobachtern.

Ich denke, diese Wahl wird sich zugunsten der demokratischen Gesellschaft in Belarus auswirken. Sie eröffnet die Möglichkeit einer demokratischen Evolution. Deshalb scheint mir die Haltung der Führer der Delegation der westlichen Beobachter extrem politisiert und tendenziös zu sein. Sie fördert die Entwicklung demokratischer Prozesse in Belarus nicht. Rußland sollte nach diesen Wahlen alle möglichen Anstrengungen unternehmen, um Belarus zu unterstützen, und zu sichern, daß das Tor in Europa für Belarus geöffnet sein wird, und wir mit belarussischen Abgeordneten in den internationalen Strukturen zusammenarbeiten.

Gazan Mirzojew, Bund der rechten Kräfte:
Ich habe bereits von meinen Eindrücken gesprochen. Es war, als hätte ich die Sowjetunion acht bis zehn Jahre vor der Perestroika besucht. Was ich damit sagen will, ist, daß die Belarussen unverdorben sind. Sie wissen, daß ich kein Kommunist bin und bezogen auf die sozialistischen Zeiten auch nicht an einer Nostalgie leide. Doch gibt es Dinge, die ewige menschliche Werte in sich tragen, und es scheint mir, daß in der belarussischen Bevölkerung der gegenseitige Respekt und die Mitmenschlichkeit überlebt haben.

Wir haben uns mit Vertretern der Präsidialverwaltung und verschiedener Nationalitäten getroffen. Mir war übertragen worden, die Wahlen im Gebiet Grodno zu beobachten. Unter der Gebietsbevölkerung gibt es 53 Prozent Belarussen, 21 Prozent Polen, zwanzig Prozent Russen und andere Nationalitäten. Wir führten Gespräche mit Vertretern aller Nationalitäten. Wir stellten eine tiefe Kluft zwischen dem, was wir auf der Pressekonferenz und in den Medien hörten, und der Realität, wie wir sie erlebten, fest. Die neun polnischen Beobachter unserer Gruppe merkten an, daß die Wahlen normal verlaufen seien und warfen die Frage auf, warum das polnische Fernsehen ein der Realität widersprechendes Bild vermittelte. Ich kann mich den Äußerungen meiner Kollegen voll und ganz anschließen. Ich würde sogar noch weiter gehen. Die Bürger kamen mit ihren Kindern in die Wahllokale und die Mehrheit der Wahlberechtigten beteiligte sich an den Wahlen, um ihre Bürgerpflicht zu erfüllen. Bereits vor dem Wahltag wählten an verschiedenen Orten zwischen einem und fünfzehn Prozent. Dies ist ein normaler Anteil.

Insgesamt muß ich sagen, daß wir in den von uns besuchten Wahllokalen keine Regelverstöße gegen die belarussische Gesetzgebung beobachtet haben. Alles war wir erlebten, spiegelt das demokratische Niveau des öffentlichen Bewußtseins wider, das die Gesellschaft Belarus erreicht hat.

Franz Klinzewitsch, "Für das Vaterland":
Für mich war es eine besondere Situation, da ich in Belarus aufgewachsen bin, meine Eltern dort beerdigt sind und meine Verwandten dort leben. Ich unterstütze alles, was meine Kollegen gesagt haben, da es genau so in der Realität war. Ich habe zwölf Wahllokale besucht, acht in Molodetschno und vier in Oschmjani. Als Verstoß gegen das Gesetz habe ich beobachtet, daß ältere Menschen - ein Mann und eine Frau - gemeinsam in die Wahlkabine gingen. Als ich dies anmerkte, antwortete mir der Mann: "Ich begleite meine Frau überall hin, wohin ich es für nötig erachte - auch in die Sauna." Sicher ist es schwierig, in diesem Falle zu argumentieren.

Mich hat eine ganz andere Sache erstaunt, nämlich das Verhalten der Europäer. Nicht der Abgeordneten, die die nationalen Parlamente der europäischen Länder vertraten, sondern derjenigen, die Europa als Ganzes vertraten. Ihr Verhalten in bezug auf alles, was in Belarus passiert, verwundert. Wir führten unsere Protokolle, unterzeichneten sie, stellten sie vor, aber im Bericht der OSZE sind sie nicht einmal berücksichtigt worden. Dies bedauere ich sehr. Und ich möchte ganz offen sagen. Ich persönlich bin vor allem von diesen Menschen, ihrer Haltung und ihrer Tätigkeit enttäuscht.

Heute gibt es in Belarus zweifellos genug zu kritisieren. Und der Präsident und seine Umgebung sollten darüber nachdenken. Aber heute haben die Bürger die Möglichkeit, zur Wahl zu gehen oder auch nicht zu gehen. Und wenn es Bürger gab, die ihr Wahlrecht nicht wahrnahmen, so spiegelt dies nur ihre persönliche Haltung wider. Darüber sollte man nachdenken, denn es ist ebenfalls eine Widerspiegelung der Demokratie. Ich bin enttäuscht. Nicht wegen der Situation im Land selbst, sondern wegen der sichtbaren Haltung der Weltgemeinschaft, die sich gegen Belarus richtet.

Alexander Sizow, "Vaterland - Ganz Rußland":
Ich habe die Wahlen im Gebiet Gomel beobachtet. Ich habe nur acht Wahllokale besucht, aber es ist ein ländliches Gebiet und ich wollte genau sehen, was in den Dörfern passiert. Das Gebiet ist stark von den Auswirkungen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl betroffen. Es stellte sich heraus, daß die Wahlbeteiligung höher war als in anderen Gebieten. Vielleicht ist die Aktivität der Bevölkerung durch die staatliche Politik beeinflußt, denn die Regierung schenkt den von der Katastrophe betroffenen Gebieten große Aufmerksamkeit. Im Gebiet Gomel wurden die Wahlen in allen siebzehn Wahlkreisen erfolgreich durchgeführt. Vielleicht ist es nötig anzumerken, daß ganz bestimmte Verwaltungsressourcen bei diesen Wahlen genutzt wurden. Aber wer sonst hätte die Wahlen organisieren, durchführen und unterstützen sollen?

Sergej Apatenko, "Einheit":
Ich war Mitglied der Beobachtergruppe, die von der Interparlamentarischen Versammlung der GUS delegiert wurde. Vertreter der nationalen Parlamente Armeniens, Aserbaidschans, Usbekistans und anderer Länder führten die Mission durch. Unsere Gruppe besuchte achtzig Wahllokale in sechzehn Städten und Dörfern. Unserer Delegation wurden alle Möglichkeiten geboten, den Ablauf der Wahl zu beobachten, in offener Atmosphäre Mitglieder der Wahlkommissionen zu treffen, mit Wählern, Vertretern von Parteien und gesellschaftlichen Bewegungen, die sich an den Wahlen beteiligten, zu sprechen. Nach der allgemeinen Ansicht unserer Gruppe wurden die Wahlen entsprechend der belarussischen Gesetzgebung und in Übereinstimmung mit den internationalen Standards durchgeführt.

Im Zusammenhang mit dem von der Technischen Mission der OSZE vorgelegten Bericht entstanden Fragen. Sie führten zu Ressentiments und lösten Enttäuschung aus. In diesem Bericht steht, daß die Mitglieder der Interparlamentarischen Versammlung auf Einladung der Zentralen Wahlkommission nach Belarus gekommen, für ihre Beobachtertätigkeit bezahlt und in Spezialbussen zu den Wahllokalen gebracht worden seien. Das ist eine Lüge und empörend.

Unsere Gruppe schenkte den Oppositionskandidaten besondere Aufmerksamkeit. Sie wissen, daß sich die sogenannte Opposition am Vorabend der Wahlen gespalten hat. Wir besuchten das Hauptquartier eines Oppositionskandidaten, diskutierten mit ihm, fragten, ob es Probleme gegeben habe, äußerten unsere Bereitschaft, mit seinen Anhängern zusammenzuarbeiten, um mögliche Verstöße in den Wahllokalen zu verhindern.

In den Wahllokalen waren wir vom Aufstellen der Wahlurnen bis zur Auszählung der Stimmen anwesend. Alles in allem haben wir keine groben Gesetzesverletzungen bemerkt. Es gab einige unwesentliche technische Probleme. Aber als wir im Hauptquartier des Oppositionskandidaten waren, war ich überrascht, daß überall Deutsch und Englisch gesprochen wurde. Es stellte sich heraus, daß es Beobachter der "Öffentlichkeit" waren, wie sie sich selbst nannten, die alle möglichen ausländischen Stiftungen vertraten. Ich sprach mit Schweden, die die Olof-Palme-Stiftung vertraten. Es stellte sich heraus, daß diese Beobachter das Hauptquartier mit Faxgeräten, Kopierern etc. ausgestattet hatten. Wie legal sind solche Schenkungen, wenn jedem Kandidaten für den Wahlkampf nur Finanzressourcen in Höhe von fünfzig Mindestgehältern zugestanden worden waren?
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Dramatischer Bevölkerungsrückgang in Rußland

von
Pjotr Borowoi, Journalist, Moskau


Derzeit arbeiten die Russische Akademie der medizinischen Wissenschaften und das Ministerium für das Gesundheitswesen an einem Bericht über den Gesundheitszustand der russischen Bevölkerung im Jahre 1999. Dieser Bericht soll demnächst Präsident Putin vorgelegt werden. Eines der wichtigsten Probleme des heutigen Rußlands ist die niedrige Geburtenzahl im Vergleich zum Anstieg der Sterblichkeit. Die Einwohnerzahl Rußlands sinkt in der Stunde im Durchschnitt um 120 Menschen. Allein in der ersten Hälfte 2000 ist die Einwohnerzahl Rußlands um etwa 425000 zurückgegangen.

Akademiemitglied Wladimir Kulakow führt folgende Angaben an: 1999 sind in Rußland 1,2 Millionen Kinder zur Welt gekommen, für die Reproduktion der Bevölkerung wären aber 1,95 Millionen nötig gewesen. Die Zahl der Abtreibungen lag bei 2,5 Millionen. Während 1990 noch 13,4 Kinder je 1000 Einwohner geboren wurden, so waren es 1999 nur noch 8,4. Umfragen belegen zwar, daß junge russische Familien zwei und sogar drei Kinder haben möchten, aber angesichts der sozialen und wirtschaftlichen Krise verzichten sie lieber darauf.

Außerdem wurde das Gesundheitswesen stark durch die Wirtschaftskrise in Mitleidenschaft gezogen. Ärzte konnten Operationen nicht ausführen, weil beispielsweise in Krankenhäusern wegen unbezahlter Stromrechnungen der Strom abgeschaltet wurde. Es mangelt an modernen medizinischen Ausrüstungen. Zudem wechselten viele Ärzte, weil ihnen monatelang keine Gehälter ausgezahlt wurden, in private kommerzielle Strukturen. Der Gesundheitsschutz, der Anfang der 90er Jahre noch unentgeltlich war, wurde damit faktisch entgeltlich. Viele Bürger sind aber nicht in der Lage, die Behandlungen zu bezahlen.

Angesichts der veränderten wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen liegt die durchschnittliche Lebenserwartung in Rußland bei Männern bei 57 bis 58 Jahren und bei Frauen bei 65 bis 66 Jahren. Übrigens: Pensionsberechtigt sind in Rußland Männer mit 60 Jahren, Frauen mit 55 Jahren. Angesichts dieser Entwicklung wird derzeit in der russischen Führung über neue Zuwanderungs- und Einwanderungsgesetze nachgedacht, um den Bevölkerungsrückgang aufzuhalten.
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Bereinigung des ukrainischen Medienmarktes


Der Nationale Fernseh- und Rundfunkrat der Ukraine hat ukrainische Radiosender, die Programme des "Russkoje Radio" in der Ukraine ausstrahlen, verwarnt. "Russkoje Radio", so die Begründung, habe keine Sendelizenz für die Ukraine und die Gesetzgebung verbiete die Wiedergabe ausländischer Programme. Damit gehen die Auseinandersetzungen um den ukrainischen Medienmarkt in eine neue Runde.

Auch auf dem Zeitungsmarkt droht eine weitere Zuspitzung. Das Staatliche Komitee für Informationspolitik, Fernsehen und Rundfunk kündigte an, die "unnormale" Lage auf dem Informationsmarkt bereinigen zu wollen. Das Komitee bezieht sich dabei auf Zeitungen wie "Argumenty i Fakty na Ukraine", "Komsomolskaja Prawda na Ukraine" und "Trud-Ukraine", die in Rußland herausgegeben werden, in der Ukraine jedoch mit dem Zusatz "na Ukraine" als ukrainische Zeitungen registriert sind. Alle diese Zeitungen seien steuerfreie Einfuhren von Millionenauflagen russischer Zeitungen. Damit aber gebe es auf dem einheimischen Zeitungsmarkt einen unfairen Wettbewerb.

Das Komitee schlußfolgerte, daß diese Zeitungen die ukrainische Gesetzgebung verletzen. Insbesondere handelt es sich darum, daß sie für eine Registrierung in der Ukraine herausgegeben und gedruckt werden müssen und nicht nur einfach vertrieben werden dürfen. Zudem seien sie nicht in ukrainischer Sprache. Das Komitee fordert, daß die Zeitungen ihre Geschäftstätigkeit innerhalb eines Monats an die ukrainischen Gesetze anpassen sollen. Andernfalls werde das Komitee den Zeitungen entsprechend der Paragraphen 18 und 41 des Gesetzes "Über die Printmedien in der Ukraine" die Registrierung entziehen und ihren Vertrieb unterbinden.
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