Wostok-Newsletter 2/2003

Deutsch-aserbaidschanische Zusammenarbeit: Die Türen für Investitionen stehen Geschäftsleuten offen
Regierungsprogramm in der Ukraine angenommen
Wessen Integrität verteidigen Sie, Herr Fischer?
Über internationales Recht und die Unabhängigkeit Tschetscheniens
Gibt es Meinungsfreiheit in Rußland?
Bankrott á la russisch
Gasprom und Verträge
Über die Reformen der Landwirtschaft in Kasachstan
Abteilungsleiter des Ministeriums für Landwirtschaft
Über das Verfassungsreferendum in Tadschikistan entschieden
Meldungen
- Kasachstan erwartet weiteres Wachstum
- Arm und Reich in Rußland - die Kluft wächst

Auszüge:

“Wessen Integrität verteidigen Sie, Herr Fischer?”
Über internationales Recht und die Unabhängigkeit Tschetscheniens

von
Said-Khassan Abumuslinow,
Historiker, Bevollmächtigter der
Republik Itschkeria, derzeit Berlin


Der deutsche Außenminister erklärte, während er über die russischen Verbrechen in Tschetschenien sprach, zum wiederholten Male, daß er das Recht Rußlands auf Verteidigung seiner territorialen Integrität vor dem tschetschenischen Terrorismus anerkenne, da Rußland, wie er sagte, strategischer Partner des Westens sei. Den nationalen Befreiungskampf des tschetschenischen Volkes gegen den russischen Kolonialismus nennt Herr Fischer Terrorismus, obwohl die spontan verübten Terrorakte Einzelcharakter tragen und vom Präsidenten wie von der Regierung Tschetscheniens verurteilt wurden. Sie sind eine Reaktion auf die Greueltaten, die die russische Soldateska an der tschetschenischen Bevölkerung verübt. Aber die Politik des Staatsterrorismus, die Rußland verfolgt, und die Massenverbrechen des russischen Militärs in Tschetschenischen verharmlost Fischer als Verletzung der Menschenrechte.

Tschetschenien hat nicht die Absicht, die territoriale Integrität eines anderen Landes, auch nicht Rußlands, anzugreifen. Im Gegenteil, das tschetschenische Volk verteidigt seine Freiheit und die Unantastbarkeit seiner Grenzen vor den kolonialen Gelüsten Rußlands. Rußland - dieser Begriff entstand ja bekanntermaßen erst vor wenigen Jahrhunderten, während die Tschetschenen eines der ältesten Völker des Kaukasus sind, zu dessen Urbewohnern zählen und seit Jahrtausenden dort leben. Die Erörterungen des Herrn Ministers sind zumindest unlogisch, wenn er zum einen Rußland das Recht zubilligt, seine territoriale Integrität zu verteidigen, und es zum anderen wegen der “Verletzungen der Menschenrechte” in Tschetschenien verurteilt. Denn gerade die erfundene “Verteidigung der Integrität” des imperialistischen Rußlands ist Ursache für die “Menschenrechtsverletzungen” in Tschetschenien. Hierbei glauben Herr Fischer und andere westliche Politiker, sich auf die Normen des internationalen Rechts zur Wahrung der territorialen Integrität eines Staates zu stützen. Betrachtet man jedoch ihre Darlegungen näher, so stellt man fest, daß sie erfundene Vorstellungen von den Normen des internationalen Rechts, insbesondere hinsichtlich der Rechte der Völker, haben. Es geht hier um folgendes: Das internationale Recht legt fest, daß alle Kriegshandlungen oder Repressalien, die sich gegen abhängige Völker richten, unabhängig von deren Ursachen zu beenden sind, und daß das Recht dieser Völker auf ein Leben in Frieden und Freiheit bei Wahrung der vollen Unabhängigkeit und Integrität der nationalen Territorien zu achten ist (s. die Resolution der Vollversammlung der UNO, Nr. 1514 XV).

Die Bezeichnung “Russische Föderation” sollte niemanden täuschen: Der heutige russische Staat ist eine Imperialmacht, die sich über Jahrhunderte in Kolonialkriegen unter Versklavung der Nachbarvölker herausgebildet hat. Dabei wurden viele Stämme und Völker vernichtet oder aus ihrer Heimat vertrieben. Einige von ihnen, und es waren nicht die am stärksten vom Imperium unterdrückten Völker, erhielten 1991 ihre Unabhängigkeit, die von der UNO auch anerkannt wurde. Viele Völker werden noch heute mit Gewalt gezwungen, dem russischen Imperium anzugehören. Indirekt wird diese Tatsache auch von den Herrschenden in Rußland eingeräumt, wenn sie erklären, daß die Anerkennung der Unabhängigkeit Tschetscheniens die Proklamation der Unabhängigkeit weiterer eroberter Völker Rußlands nach sich ziehen würde. Demzufolge bedeutet nach internationalem Recht Integrität in bezug auf Rußland, wenn dieser Begriff adäquat und nicht nach “realpolitischen” Kriterien angewandt wird, Integrität eines kolonialen Imperiums. Aber die Verteidigung eines solchen wertet das internationale Recht als schweres internationales Verbrechen. “Der Kolonialismus in beliebiger Form ist ein internationales Verbrechen”, heißt es in der Resolution Nr. 262 der Vollversammlung der UNO. Diese Resolution bekräftigt das Recht der Völker, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln für ihre nationale Unabhängigkeit gegen die Kolonialmächte, die ihr Streben nach Freiheit und Unabhängigkeit unterdrücken, zu kämpfen. Das tschetschenische Volk hat sich stärker als andere Völker der russischen Eroberung entgegengestellt und seinen Kampf für die Freiheit nie aufgegeben. Es mußte nach Einverleibung in das Imperium mehrfach Deportationen und andere Formen des Völkermordes, verübt durch den russischen Staat (ob Monarchie, Sowjet- oder “demokratischer” Staat), erdulden und größte Opfer bringen. Nach offiziellen russischen Angaben überlebten den Eroberungskrieg, den Rußland gegen das tschetschenische Volk von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis 1861 führte, “nur 400000 Menschen von einer Bevölkerung von 1,5 Millionen. In weniger als achtzig Jahren wurde die tschetschenische Bevölkerung um mehr als eine Million reduziert - Tschetschenen starben in den Kämpfen gegen die zaristischen Truppen, vor Hunger und an Seuchen oder wurden umgesiedelt” (s. “Zehn Jahre sowjetisches Tschetschenien”, Rostow am Don, 1935, S. 35). “Nach offiziellen Angaben verringerte sich die Bevölkerung Tschetscheniens von 1847 bis 1850 um die Hälfte und in den Jahren 1860 bis zur Revolution (1917 - Anm. d. Verf.) um ein Viertel” (s. Enzyklopädie “Granat”, Bd. 58, Moskau, 1940, S. 183). Hier noch einige offizielle Angaben über die Zahl der Opfer der Deportation in den Jahren 1940 bis 1957: “Aus dem Gebiet Grosny (so nannten die russischen Chauvinisten und Stalinisten Tschetschenien nach der Deportation der Tschetschenen nach Zentralasien, um jede Erinnerung an das Volk auszulöschen - Anm. d. Verf.) wurden gemäß des Beschlusses des Obersten Sowjets der Sowjetunion Nr. 116-102 vom 7. März 1944 und des Erlasses des Staatlichen Verteidigungskomitees Nr. 5073 vom 31. Januar 1944 520301 Tschetschenen und Inguschen ausgesiedelt” (aus dem Entwurf des Berichtes des Innenministers der UdSSR S. Kruglow und des Generalstaatsanwalts G. Safanow an den stellvertretenden Vorsitzenden des Ministerrates der UdSSR L. Berija vom Januar 1949 - s. “Jossif Stalin an Lawrentij Berija. Sie müssen deportiert werden, Dokumente, Fakten, Kommentare”, Moskau, 1992, S. 168). Zwanzig Jahre später zählten “die Tschetschenen 191479 und die Inguschen 48191 Angehörige” (aus dem Bericht des Innenministers der UdSSR N. Durow an das ZK der KPdSU - vgl. a. a. O., S. 273). Damit überlebten nach den offiziellen Angaben von 520301 Tschetschenen und Inguschen vom Beginn der Deportation 1944 bis zum Jahre 1956 239670 Menschen, das heißt, mehr als sechzig Prozent der Tschetschenen und Inguschen verloren während der Deportation ihr Leben.

Im Jahre 1991 verkündete Tschetschenien seine Unabhängigkeit, aber sie fand keine internationale Anerkennung. Rußland entfachte zwei blutige Kriege gegen das tschetschenische Volk, die 200000 von einer Million Tschetschenen das Leben kosteten. Der zweite dieser Kriege ist nicht beendet und wird ökonomisch, moralisch und politisch von den westlichen Ländern unterstützt. Ein Beweis für diese Unterstützung stellt die hier diskutierte Erklärung des Herrn Fischer über das Recht Rußlands auf “die Verteidigung seiner territorialen Integrität” dar. Das internationale Recht verpflichtet die internationale Gemeinschaft, die Unabhängigkeit des tschetschenischen Staates, der sich im Ergebnis der Verwirklichung des Rechtes eines kolonial unterdrückten Volkes auf Selbstbestimmung gebildet hat, anzuerkennen. In Resolution Nr. 262 der Generalversammlung der UNO wird gefordert, daß “alle Mitgliedsstaaten der Organisation verpflichtet sind, den kolonial unterdrückten Völkern alle erforderliche moralische Unterstützung in ihrem Kampf für Freiheit und Unabhängigkeit zu geben.” Doch nach internationalem Recht und zudem im Sinne von Demokratie, denn es geht um die gewaltsame Unterdrückung der demokratischen Rechte eines Volkes, stützt Herr Fischer die Unantastbarkeit des russischen Kolonialismus, unterstützt er das Recht Rußlands, den Mord am tschetschenischen Volk zur Wahrung seiner “Integrität” fortzusetzen.

Dies wirft die Frage auf, warum der Westen entgegen seiner internationalen rechtlichen Verpflichtungen die Unabhängigkeit Tschetscheniens nicht anerkennt? Welche Argumente werden genutzt? Eines der Argumente ist, daß nach der Verfassung der UdSSR nur den Unionsrepubliken das Recht eingeräumt wurde, aus der Union auszutreten, Tschetschenien aber war nur Autonome Republik. Im übrigen stimmte 1991 die überwiegende Mehrheit der Unionsrepubliken im Referendum am 17. März 1991 für den Erhalt der UdSSR, das heißt, gegen einen Austritt aus der Union. Angemerkt sei, daß die Bedingungen, unter denen das Referendum durchgeführt wurde, bedeutend demokratischer waren, als die im Jahre 1936, wo unter der kommunistischen Diktatur die “Verfassung” der UdSSR beschlossen worden war.

Die Verfassung der UdSSR, die 1977 angenommen wurde, war eine Neuauflage der “Verfassung” von 1936 und behielt deren grundlegende Prinzipien bei, darunter auch den Teil, der sich mit dem Staatsaufbau im Hinblick auf die Nationalitäten befaßte. Dieser wurde unverändert übernommen, das heißt auch die Aufteilung in Unions- und Autonome Republiken. Der Urheber dieses Staatsaufbaus war Stalin. Dessen Konzeption hatte selbst Lenin vor seinem Tod kritisiert, der sie als großmächtig und chauvinistisch bezeichnete. Rechtliche und historische Grundlagen für eine solche Einteilung fehlten. Die Zahl der Unionsrepubliken war unterschiedlich: zu Beginn waren es vier, ab 1936 elf, ab 1941 fünfzehn und ab 1945 sechzehn. Kasachstan, Kyrgysstan und Tadschikistan waren bis 1936, Moldowa bis 1940 Autonome Republiken. Die Änderungen des Status dieser Republiken unterlagen der persönlichen Entscheidung Stalins. Am deutlichsten zeigt sich die Stalinsche Willkür am Beispiel Kareliens (noch heute zählt Karelien weniger als eine Million Einwohner, nur zehn Prozent davon sind Karelier). 1940 beschloß Stalin, Finnland zu überfallen, um das Land in die UdSSR einzugliedern. Damit diese aggressive Invasion als Akt der Wiedervereinigung mit dem finnischen Volk dargestellt werden konnte, erhob er Karelien zur Unionsrepublik. Stalin begründete sowohl die Aggression gegen Polen als auch die Kriegsdrohungen gegenüber Rumänien mit der Zusammenführung des ukrainischen, belarussischen und moldawischen Volkes. Die Autonome Republik Moldowa wurde nach der Angliederung Bessarabiens, ein Teil von Rumänien, an die UdSSR zur Unionsrepublik erklärt. Finnland konnte nicht erobert werden, Karelien wurde 1956 wieder zur Autonomen Republik herabgestuft. Auf Befehl Stalins wurden 1941 bis 1944 einige in der “Verfassung” verankerten Autonome Republiken wieder aufgelöst, so die Republiken der Wolgadeutschen, der Krimtataren, der Kalmücken, der Kabardiner und Balkaren, der Tschetschenen und Inguschen sowie das Autonome Gebiet der Karatschaier. Die Völker wurden nach Zentralasien und Sibirien deportiert. Diese Verbrechen wurden als Willensbekundung des Volkes deklariert. Mit Ausnahme der Republik der Wolgadeutschen und der der Krimtataren wurden diese Republiken 1957 wieder gebildet.

Diese Fakten belegen, daß der sowjetische Staatsaufbau in der Frage der Nationen der Willkür des Diktators und dem Großmachtchauvinismus (wie Lenin es charakterisierte) Stalins unterlag. Es handelte sich nicht um eine demokratische Willenserklärung der Völker. So verteidigen Herr Fischer und andere westliche Politiker im Grunde die Unantastbarkeit der Stalinschen “Verfassung”. Im Vergleich zu den heutigen westlichen Demokratien und Politikern war Stalin selbst weniger konsequent in der Verteidigung seiner “verfassungsmäßigen” Prinzipien hinsichtlich des Staatsaufbaus und in der Frage der Nationen. Angemerkt sei, daß die Gründung der UdSSR selbst jeder Rechtsgrundlage entbehrte, und fast bis zum Ende ihres Bestehens verfügte sie nicht über demokratisch gewählte Machtorgane. Daher sind alle Rechtsakte dieses Staates, darunter auch die “Verfassung”, nicht legitim und rechtswidrig (im übrigen wandte die BRD dieses Prinzip auch in bezug auf die Rechtsakte der DDR an). Doch selbst, wenn wir akzeptieren würden, daß die Verfassung der UdSSR ein rechtsgültiges Dokument wäre, so wäre die Unabhängigkeitserklärung Tschetscheniens trotzdem rechtsgültig. In Artikel 70 der UdSSR-Verfassung heißt es: “Die UdSSR ist ein sozialistischer Unions- und Vielvölkerstaat, der auf der Grundlage des Prinzips des sozialistischen Föderalismus in freier Selbstbestimmung der Nationen und durch den freiwilligen Zusammenschluß gleichberechtigter sozialistischer Sowjetrepubliken gebildet wurde.” Hier gibt es keinen Hinweis darauf, daß sich dieser Artikel ausschließlich auf Unionsrepubliken bezieht.

An dieser Stelle sei auf einen Aufruf von Lenin und Stalin verwiesen, den sie in der Zeit des Werdens der Sowjetmacht erließen. “Tschetschenen und Bewohner des Kaukasus”, heißt es dort, “Ihr alle, deren Moscheen und Gebetsplätze vernichtet wurden, deren Glauben und Bräuche von den Zaren und Unterdrückern Rußlands verboten worden waren! Von jetzt an sind Euer Glauben und Eure Bräuche, Eure nationalen und kulturellen Einrichtungen frei zugelassen und unantastbar. Ihr habt ein Recht darauf, und wißt, daß Eure Rechte wie die Rechte aller Völker Rußlands mit ganzer Kraft von der Revolution und ihren Organen, den Sowjets der Arbeiter, Soldaten und Bauerndeputierten, verteidigt werden... Ihr müßt Euer Leben nach Eurer Art und Weise selbst bestimmen! Ihr habt ein Recht darauf, denn Euer Schicksal liegt in Euren Händen!” Es gab wenige Völker im damaligen russischen Imperium, an die sich Lenin und Stalin, dazu gemeinsam, wandten, um ihnen die freie Selbstbestimmung anzubieten! Ein weiteres Argument ist, daß allen Autonomen Republiken anderthalb Jahre vor dem Zerfall der Sowjetunion der gleiche Rechtsstatus in bezug auf die UdSSR zuerkannt wurde wie den Unionsrepubliken. Der Oberste Sowjet der UdSSR verabschiedete am 26. April 1990 das Gesetz “Über die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der Union der SSR und den Subjekten der Föderation”. In diesem Gesetz steht: “Die Autonomen Republiken sind sozialistische Sowjetstaaten, die Subjekte der Föderation - der Union der SSR - darstellen. Die Autonomen Republiken und autonomen Gebilde sind Bestand der Unionsrepubliken auf der Grundlage der freien Selbstbestimmung der Völker.” Drittens hielt die erste Tagung der Volksdeputierten der RSFSR in dem Beschluß “Über die staatliche Souveränität der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik” unter Berücksichtigung “der Achtung der souveränen Rechte der Völker, die der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken angehören”, fest, daß “die staatliche Souveränität der RSFSR im Namen der höchsten Ziele - der Wahrung des Rechtes jedes Menschen auf ein würdiges Leben, freie Entwicklung und seine Muttersprache sowie die Wahrung der Rechte jedes Volkes auf Selbstbestimmung der von ihnen gewählten nationalen staatlichen und nationalen kulturellen Formen - erklärt wird.” Viertens rief Boris Jelzin die Völker Rußlands auf, sich so viel Souveränität zu nehmen, wie sie tragen können. Zur gleichen Zeit hat das tschetschenische Volk auf seinem Nationalkongreß, dessen Legitimation von der damaligen Führung Rußlands anerkannt wurde, am 25. November 1990 die Deklaration über die Bildung der unabhängigen Tschetschenischen Republik verabschiedet. Zwei Tage später nahm der Oberste Sowjet der Republik der Tschetschenen und Inguschen die Deklaration über die staatliche Souveränität an, die diese Republik zu einem unabhängigen Staat erklärte. Im Unterschied zu den Erklärungen anderer Autonomer und Unionsrepubliken über die staatliche Souveränität wurde in der Deklaration der Tschetschenen und Inguschen weder die Zugehörigkeit zur RSFSR, noch zur UdSSR erwähnt. Die Möglichkeit, sich zukünftig einer auf demokratischem Wege erneuerten Union als gleichberechtigte Republik anzuschließen, wurde gebunden an die Rückgabe inguschischer Gebiete, die nach der Deportation der Inguschen und Tschetschenen Ossetien zugesprochen und bisher nicht wieder zurückgegeben worden waren. Die Möglichkeit, sich Rußland anzuschließen, war in dieser Deklaration nicht vorgesehen. Im Juni 1991 trat die Verfassung der Autonomen Republik der Tschetschenen und Inguschen, die Prinzipien der Deklaration über die staatliche Souveränität berücksichtigte, in Kraft. Es sei betont, daß, obwohl diese Deklaration ein Jahr vor dem Zerfall der UdSSR verabschiedet worden war, keines der obersten Machtorgane der UdSSR oder der RSFSR ihre Rechtmäßigkeit und Legitimation in Zweifel gezogen hatte.

Heute wird von allen, auch von den führenden Kreisen Rußlands, anerkannt, daß die Sowjetunion ein koloniales Imperium war. Mit anderen Worten, sie geben zu, daß die Prinzipien des nationalen Staatsaufbaus der Sowjetunion einen imperialen Charakter trugen. In Rußland wurde eine neue Verfassung angenommen, die die alte Verfassung in fast allen Punkten als undemokratisch ablehnt. Doch der wichtigste Teil der Verfassung, nämlich der, der den nationalen Staatsaufbau festlegt, wurde unverändert übernommen.

Seine unterstützende Haltung zum Krieg Rußlands gegen den nationalen Befreiungskampf des tschetschenischen Volkes versucht der Minister und Demokrat Joseph Fischer damit zu rechtfertigen, daß Rußland ein strategischer Partner der EU sei. Ist dem tatsächlich so? Wenn das strategische Interesse Europas darin besteht, den demokratischen Frieden und die Stabilität in Europa zu unterstützen, dann stellt gerade der Kolonialkrieg gegen das tschetschenische Volk langfristig eine ernsthafte Bedrohung für den Frieden in Europa und in der Welt dar. Die Folgen von Kolonialkriegen voraussehend, verabschiedete die Vollversammlung der UNO am 14. Dezember 1960 die Deklaration über die Gewährung der Unabhängigkeit für die kolonial unterdrückten Länder und Völker, in der unter anderem festgehalten ist, daß die “Verschärfung der Konflikte, hervorgerufen durch die Verweigerung der Freiheit oder die Schaffung von Hindernissen auf dem Weg dieser Völker zur Freiheit, eine ernsthafte Bedrohung für den allgemeinen Frieden darstellt.”

Die vor kurzem bei der Einnahme Bagdads gefundenen Dokumente über die militärische und geheimdienstliche Zusammenarbeit des Putinschen Regimes mit dem Regime Husseins zeigen, wessen strategischer Partner Rußland war, ist und sein wird! Wen und was verteidigen Sie also, Herr Fischer?
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Kasachstan erwartet weiteres Wachstum


In seiner Rede bei einer gemeinsamen Sitzung des Parlaments und der Regierung Anfang April gab sich der kasachstanische Präsident Nursultan Nasarbajew überzeugt, daß das Land ein weiteres Wirtschaftswachstum erzielen und damit den positiven Trend, der ab etwa 1999 eingeleitet worden war, verstetigen kann. Im Jahre 2000 verzeichnete Kasachstan ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes um 9,8 Prozent gegenüber 1999, im Jahre 2001 waren es 13,5 Prozent, im Jahre 2002 9,5 Prozent. Für 2003 ging der Präsident von einem Wachstum von acht Prozent aus. Zugleich verwies er darauf, daß die Republik ihre Wirtschaft diversifizieren müsse, da bislang der Rohstoffsektor - sprich vor allem die Energieträger - einen Großteil zum Wirtschaftswachstum beitrügen. Perspektivreich seien die Entwicklung der verarbeitenden Industrie und insbesondere der Stahlindustrie, der Nichteisenmetallurgie und der Landwirtschaft. In letzterer arbeiten beinahe vierzig Prozent der Bevölkerung. Sie soll im Zeitraum 2003 bis 2005 aus einem staatlichen Fonds in Höhe von einer Milliarde Dollar unterstützt werden. Die Rücklagen des Pensionsfonds belaufen sich nach den Angaben des Präsidenten auf zwei Milliarden Dollar, Bankguthaben des Fonds bringen weitere vier Milliarden Dollar in den Fonds. Positiv zu vermerken sei zudem, daß die den Wirtschaftssubjekten gewährten Bankkredite 4,5 mal höher liegen als die Kredite der letzten drei Jahren zusammen, was ein weiterer Beleg für die Erholung und Stabilisierung der Wirtschaft sei.
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Arm und Reich in Rußland - die Kluft wächst


Das Amt für Statistik der Russischen Föderation hat Ende April die Zahlen zur Einkommensentwicklung der russischen Bevölkerung im ersten Quartal des Jahres 2003 bekanntgegeben. Danach wird die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer. Zehn Prozent der reichsten Einwohner verfügen über 29,6 Prozent aller Geldeinnahmen (nach 29,3 Prozent im Vergleichszeitraum des Vorjahres). Auf zehn Prozent der ärmsten Einwohner entfielen lediglich zwei Prozent aller Geldeinnahmen (nach 2,1 Prozent im ersten Quartal 2002). Der durchschnittliche Monatslohn im ersten Quartal betrug nach Angaben der Statistikbehörde 4841 Rubel (etwa 146 Euro). Mit weniger als 500 Rubel im Monat mußten 0,6 Prozent der Bevölkerung auskommen (im ersten Quartal 2002 waren es 1,5 Prozent), bis zu 750 Rubel hatten 1,8 Prozent der Russen zur Verfügung (im Vergleichszeitraum 2002 3,9 Prozent), bis zu 1000 Rubel konnten 3,1 Prozent ausgeben (5,8 im Vorjahr), bis zu 1500 Rubel neun Prozent nach 14,1 Prozent in 2002. 10,6 Prozent (13,9 Prozent im Vorjahreszeitraum) hatten ein Einkommen bis zu 2000 Rubel, 19,9 Prozent (21,7 Prozent im ersten Quartal 2002) bis zu 3000 Rubel und 15,3 Prozent (13,9 Prozent im Vergleichszeitraum 2002) bis zu 4000 Rubel. 39,7 Prozent statt 25,2 Prozent im Vorjahr verfügten über ein Einkommen von mehr als 4000 Rubel im Monat. Ein immens großer Teil der Gesellschaft muß also mit weit weniger als dem monatlichen Durchschnittslohn über die Runden kommen.
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