Wostok-Newsletter 1/2002

Das Referendum in Usbekistan
Menschenrechte in Rußland - es weht ein scharfer Wind
Freilassung politischer Gefangener in Aserbaidschan
Rußland möchte Stopp der Überwachung der Menschenrechtslage in Tschetschenien
Ukraine: Grenzenlosigkeit der Gerichte
Gesundheitssystem in Tadschikistan vor dem Kollaps
Regierungswechsel - Nasarbajew unter Druck?
Usbekisch-tadschikisches Kooperationsabkommen
Neues Sicherheitsabkommen im Südkaukasus
Präsident Eduard Schewardnadse: "Rußland hat seine Haltung verändert."
Georgien unter Druck - Ringen um eine Lösung für Abchasien
Negative Folgen eines Freundschaftsvertrages
Meldungen

Auszüge:

Im Trend - Amtszeitverlängerung und Zweikammernparlament in Usbekistan per Referendum beschlossen
von
Peter Franke, Redakteur der Zeitschrift "Wostok", hielt sich auf Einladung Usbekistans zur Beobachtung des Referendums in der Republik auf


Zuerst die nüchternen Zahlen: Beim Referendum in Usbekistan war das Land in vierzehn Referendumsbezirke aufgeteilt: der Autonomen Republik Karakalpakstan, den zwölf Gebieten und der Stadt Taschkent. Insgesamt gab es 7810 Abstimmungslokale in Usbekistan und 37 Wahllokale in den diplomatischen Missionen des Landes im Ausland. 13266602 abstimmungsberechtigte Bürgerinnen und Bürger waren am 27. Januar aufgerufen, in einem Referendum über zwei Fragen zu entscheiden:

1. Stimmen Sie der Wahl eines Zweikammernparlaments der Republik Usbekistan bei der nächsten Einberufung zu?

2. Stimmen Sie der Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten der Republik Usbekistan von fünf auf sieben Jahre zu?

Nach den vorläufigen Endergebnissen der Zentralen Wahlkommission beteiligten sich 12113070 Wahlberechtigte, dies sind 91,58 Prozent, am Referendum.

Die erste Frage bejahten 11344242 Wahlberechtigte, das sind 93,65 Prozent, dagegen votierten 768828 Wahlberechtigte, damit 6,35 Prozent. Für die Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten stimmten 11117841 Stimmberechtigte (91,78 Prozent) und 995229 Wahlberechtigte (8,22 Prozent) verneinten diese Frage.

Insgesamt also stießen nach diesen Ergebnissen die Vorschläge von Parlament und Präsident auf eine überaus breite Zustimmung. Damit endete eine Etappe, die erst sieben Wochen zuvor am 6. Dezember mit der Rede des Parlamentsvorsitzenden Erkin Halilow vor dem Olij Madschlis eingeläutet worden war.

Die Durchführung des Referendums war vor allem damit begründet worden, daß die Bevölkerung Einfluß auf die künftige Gestaltung des usbekischen Staatswesens nehmen sollte. Das Referendum werde damit zu einem weiteren Beweis für die Fortschritte bei der Demokratieentwicklung in Usbekistan. Denn für die Verfassungsänderungen hätte man nicht zwingenderweise ein Referendum durchführen müssen, da für diese ein Mehrheitsvotum des Parlaments ausreicht.

Die Einführung des Zweikammernparlaments, übrigens eine Anregung der Vertretung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Taschkent, wurde vor allem damit begründet, daß so künftig die Regionen einen stärkeren Einfluß auf die Politik der Zentrale nehmen könnten. Zweites gewichtiges Argument für die Schaffung eines Zweikammernparlaments war die künftige Professionalisierung der Politik. Denn das künftige Unterhaus soll auf ständiger und professioneller Basis arbeiten und nicht wie derzeit das Parlament nur in zeitlich größeren Abständen zusammentreten. Manche Beobachter verbinden damit auch die Idee, daß politische Parteien in diesem System - auch wenn sich eine echte Parteienlandschaft noch nicht herausgebildet hat - an Einfluß gewinnen könnten.

Allerdings bleiben viele Ideen in bezug auf die Ausgestaltung des künftigen Parlaments noch im unklaren. Denn außer den Bekenntnissen von Präsident und Parlamentsvorsitzenden gibt es bisher keine klaren Äußerungen und Entwürfe, wie diese parlamentarische Form in Zukunft gestaltet werden soll. So erklärte Präsident Islam Karimow nach seiner Stimmabgabe, daß die Mitglieder des Oberhauses künftig von den lokalen Abgeordneten gewählt werden sollten. Danach sollen die Gebiets-, Stadt- und Regionsabgeordneten ihre Repräsentanten für das Oberhaus wählen. Unklar blieb auch, welche Funktion das Oberhaus ausüben soll. Präsident Karimow sprach davon, daß möglicherweise Rechte und Pflichten des Präsidenten an das Oberhaus übergehen sollen.

Insgesamt erscheint jedoch die Frage der Einführung des Zweikammernparlaments wenig umstritten zu sein. Folgt man damit nicht zuletzt einem Trend der anderen Staaten der GUS, denn außer in Tadschikistan und den drei transkaukasischen Staaten gibt es mittlerweile in allen Staaten Zweikammernparlamente.

Heftiger umstritten, war da schon die Frage der Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten von fünf auf sieben Jahre. Denn nicht nur für viele Abstimmende blieb bis zum Tag des Referendums unklar, worüber nun eigentlich entschieden werden sollte.

So gab es auf Nachfragen die Antworten, daß die Amtszeit von Präsident Karimow auf sieben Jahre bis zum Jahre 2007 verlängert werden sollte. Man erhielt aber auch die Antwort, daß die jetzige Amtszeit auf sieben Jahre verlängert, der Amtsinhaber dann aber, da sich die gesetzliche Grundlage verändert hätte, erneut für eine weitere Amtszeit kandidieren dürfe. Laut Verfassung darf Karimow nicht mehr kandidieren. Erklärt wurde aber auch, daß der Beginn der siebenjährigen Amtszeit allein durch einen Beschluß des Parlaments festgelegt werde könne.

Auf der zentralen Pressekonferenz in Taschkent zwei Tage vor dem Referendum erklärte dann der Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission Abdurafik Achadow, daß der Beginn der siebenjährigen Amtszeit des Präsidenten erst nach Beendigung der jetzigen fünfjährigen Amtszeit von Präsident Karimow in Kraft treten werde. Zur Frage, ob diese Verfassungsänderung dann eine erneute Kandidatur von Präsident Karimow ermögliche, wollte sich Achadow allerdings nicht äußern.

Begründet wurde der Vorschlag, die Amtszeit des Präsidenten zu verlängern, mit dem Wunsch nach mehr Kontinuität und größerer Stabilität in der Politik, denn kürzere Wahlperioden würden dem Amtsinhaber kaum Zeit lassen, Politik zu gestalten ohne gleich auf seine Wiederwahl zu starren. Verwiesen wurde auf die Amtszeiten in vielen Staaten der Welt, in denen die Präsidenten länger als fünf Jahre im Amt sind. Gern übersehen wurde dabei allerdings, daß die Präsidenten dort zumeist erheblich weniger Einfluß auf die politische Entwicklung haben als der usbekische.

Kritiker sehen in der Amtszeitverlängerung vor allem den Versuch, Präsident Karimow per Referendum eine erneute Kandidatur zu ermöglichen. Wobei Präsident Karimow bereits seine erste Amtszeit, die eigentlich 1995 geendet hätte, per Referendum bis 2000 verlängert hatte.

Deutlich wurde jedenfalls, daß nicht unbedingt allen Bürgerinnen und Bürgern klar sein konnte, worüber sie eigentlich abstimmten. Die nächsten Monate werden zeigen, welche Änderungen tatsächlich an der Verfassung vorgenommen werden bzw. wie die Beschlüsse konkret ausgestaltet werden. In jedem Fall hat es ein klares Votum für die Änderungen gegeben, auch wenn eine ganze Reihe von Verstößen gegen die üblichen Normen von Wahlen und Abstimmungen zu beobachten waren. Wobei derartige Verstöße wohl bei allen bisherigen Wahlen und Referenden in Usbekistan festgestellt worden sind. So wurden einzelnen Familienmitgliedern die Abstimmungszettel für die gesamte Familie ausgehändigt. Familienmitglieder gingen nicht allein, sondern gemeinsam in die Wahlkabine. Von einzelnen Leitern der Wahlkreiskommissionen wurde die Teilnahme unabhängiger einheimischer Beobachter bei der Auszählung abgelehnt. Die Frage, wann Stimmzettel als ungültig gewertet werden, wurde unterschiedlich gehandhabt. Aber trotz all dieser Ungereimtheiten bleibt das allgemeine Bemühen, sich einem demokratischen Prozedere zu unterwerfen. Für den Außenstehenden ist es nur schwer zu beurteilen, wie leicht oder schwer sich eine traditionelle zentralasiatische Gesellschaft tut, um sich modernen westlichen Demokratievorstellungen anzupassen.

Problematisch wird es allerdings vor allem dann, wenn die bestehenden Transformationsprobleme kaschiert werden und demokratische Prozedere nur eine Farce sein sollten, um der Machtsicherung zu dienen.

An der Grenze zu Afghanistan befindet sich Usbekistan sicherlich in einer schwierigen Situation, aber nach dem 11. September blickt die ganze Welt aufmerksamer auf diese Region, zugleich eröffnen sich neue Chancen für Reformen. Dies bedeutet aber auch, daß man um so mehr beachten wird, ob dem Referendum tatsächlich Entscheidungen folgen, die den Prozeß der Demokratieentwicklung vertiefen oder ob es nur darum gehen wird, die Amtszeit von Präsident Karimow ins Unendliche zu verlängern. Was der Entwicklung der Republik, auch wenn man derzeit keine echte Alternative zum Präsidenten erkennen kann, nur schaden würde.
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Regierungswechsel in Kasachstan - Nasarbajew unter Druck?

von
Murat Baimenow, Journalist, Almaty


In Kasachstan schlagen die politischen Wellen seit Wochen hoch und der Druck auf Präsident Nasarbajew wächst - so scheint es. Auslöser war die Entscheidung des Präsidenten, seinen Schwiegersohn Rachat Alijew für den Posten des stellvertretenden Vorsitzenden des Nationalen Sicherheitsausschusses vorzuschlagen. Heftige Proteste einer Abgeordnetengruppe waren die Folge - und im weiteren die Formierung der Bewegung Demokratische Wahl Kasachstans, die vor allem die Wirtschafts- und Geschäftselite hinter sich brachte. Zur Diskussion stand - urplötzlich, wie es schien - das "dynastische Modell" im Lande.

Die Entlassung von Premierminister Kasymschomrat Tokajew und seiner Regierung am 28. Januar 2002 markiert hier nur den Höhepunkt einer zeitlich verdichteten Kette von Ereignissen, Entwicklungen und Entscheidungen. Und wie viele hoffen, auf einen möglichen Wechsel des, wie es stets hieß, vorbezeichneten "zentralasiatischen Entwicklungswegs".

Am 21. November waren einige Regierungsmitglieder, die sich der Demokratischen Wahl angenähert hatten, entlassen worden. Tokajew hatte die Entlassung seines Stellvertreters Dschandosow und des stellvertretenden Verteidigungsministers Jertlesowa damit erklärt, die Stabilität im Lande erhalten zu wollen. Ein wenig unverständlich, denn Gerüchte, daß Tokajew sein Amt verlassen wolle, kursieren bereits seit einem Jahr in den beiden Hauptstädten, der offiziellen Astana, wie auch der inoffiziellen Almaty, und hätte dies nicht auch zur Destabilisierung beigetragen?

Aber realistisch betrachtet: Kann die sich formierende Opposition dem kasachstanischen Präsidenten wirklich gefährlich werden? Da gibt es nun auf der einen Seite die Demokratische Wahl Kasachstans, die in einem offenen Brief an Nasarbajew fünf Schlüsselforderungen erhoben hat: Gewaltenteilung mit realer Unabhängigkeit von Exekutive, Legislative und Judikative, Ausweitung der Befugnisse der Exekutive, Wahl der regionalen Leiter, Änderung des Verfahrens zur Bildung der Wahlkommissionen, Reform des Gerichtswesens (die Richter des Landes werden ernannt) sowie Liberalisierung des Mediengesetzes und Durchbrechung des Medienmonopols der Nasarbajew-Familie.

Fraglos haben sich anerkannte populäre und junge Politiker der neuen Bewegung angeschlossen, auch die Wirtschaft steht der Demokratischen Wahl positiv gegenüber.

Zudem wurde am 14. Januar 2002 der Zusammenschluß von drei Oppositionsparteien zur Vereinigten Demokratischen Partei bekanntgegeben: Republikanische Volkspartei, Azamat und der Volkskongreß Kasachstans schlossen sich zusammen. Auch die Ziele des Zusammenschlusses wurden verkündet: Umwandlung Kasachstans in eine parlamentarische Republik, statt eines Zweikammernparlaments die Bildung eines Einkammerparlaments mit 150 Abgeordneten, zudem Reform der territorial-administrativen Gliederung (die vierzehn Oblaste sollen zu fünf bis sieben zusammengefaßt werden), Wahl der lokalen Exekutivbehörden, Verbot für Verwandte Nasarbajews, Regierungsposten zu übernehmen.

Es kocht und gärt also ersichtlich in Kasachstan. Andererseits legte Nasarbajew extrem gute Wirtschaftsdaten vor: Wachstum des Bruttoinlandsproduktes um dreizehn Prozent, der Industrie um 13,5 Prozent, der Landwirtschaftsproduktion um 16,9 Prozent - vor allem wurden 21 Prozent mehr Kapitalinvestitionen vermeldet. Zudem hat Nasarbajew gewissermaßen den US-Präsidenten im Rücken, der ihm im Dezember bescheinigte, daß Kasachstan die internationalen Standards erfülle. Es gibt also den Vorrang der Gesetze, Religionsfreiheit, die Achtung der Menschen- und Bürgerrechte und eine Stärkung der demokratischen Institutionen. Ganz zu schweigen davon, daß Kasachstan nach US-Ansicht "eine unabhängige Medienlandschaft aufweist sowie politischer Pluralismus und freie, faire Wahlen gesichert sind".

Das plötzliche Aufkommen der Opposition und deren Forderungen bringen Nasarbajew in ein Dilemma. Denn schließlich ist er selbst für einen Teil der nun von der Opposition geäußerten Forderungen eingetreten, auch wenn deren Umsetzung mit dem Verweis auf die Wahrung innerer Stabilität immer wieder verschoben wurde. Die Entlassung Tokajews und die Ernennung des konservativen Tasmagambetow scheint also wenig mehr als Zeitschinderei zu sein. Nasarbajew wird sich entscheiden müssen, ob er echte Reformen für sein Land will.

Wie auch immer. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die neuen Akteure auf der politischen Bühne mit ihren "idealen" Reformvorstellungen Punkte machen werden - nicht nur in Kasachstan bei der Wirtschafts- und Geschäftselite, sondern auch in der internationalen Staatengemeinschaft. Klar ist: Die monolithische Struktur, wie sie eine Dekade in Kasachstan existiert hat, ist aufgeweicht. Nasarbajew hat seine Position als Vermittler zwischen den Interessen der Finanz-, Industrie- und Politgruppe eingebüßt. Ein Oppositionsmitglied charakterisierte die Situation des Präsidenten wie folgt: Er kann ein Mandela, aber auch ein Ceaucescu werden.
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Neues Sicherheitsabkommen im Südkaukasus nimmt Gestalt an

von
Hakop Chaturian, Journalistin, Jerewan


Aserbaidschan, Georgien und die Türkei haben ihre Arbeit an einem neuen Sicherheitsabkommen für den Südkaukasus fast abgeschlossen. Man kann zweifellos sehen, daß dieses Abkommen in Folge der Antiterrorkampagne der USA nach den Terroranschlägen in New York und Washington an Dynamik gewonnen hat. Neben dem Kampf gegen den Terrorismus, den Schmuggel und die organisierte Kriminalität spielen vor allem die engere militärische Zusammenarbeit und der gemeinsame Schutz der Pipelines und insbesondere der umstrittenen Pipeline Baku-Tbilissi-Ceyhan eine wichtige Rolle.

Der Gedanke eines regionalen Sicherheitsabkommens unter Ausschluß Armeniens, das quasi eingekesselt von den drei Ländern inmitten des Südkaukasus liegt und lediglich eine kurze, etwa vierzig Kilometer lange Grenze zum Iran hat, wurde ab Mitte letzten Jahres in der Türkei entwickelt. Was wenig überraschend ist, denn die Türkei will schon seit längerem ihren Einfluß in der Region ausbauen und ihr strategisches Profil schärfen. (Übrigens nicht nur dort: Auch in Zentralasien führte die Türkei in den letzten Monaten eine Vielzahl an Gesprächen.) Wir erinnern uns gut, daß im Zuge der iranisch-aserbaidschanischen Irritationen (aserbaidschanische Ölforschungsschiffe waren in den iranischen Sektor des Kaspischen Meeres eingedrungen) plötzlich Flugzeuge der türkischen Luftwaffe unmißverständliche Zeichen am Himmel setzten. So wird es niemanden verwundern, daß die aserbaidschanisch-türkische Zusammenarbeit mit diesem Abkommen auf ein qualitativ neues Niveau gehoben werden soll. Es scheinen nicht nur Spekulationen zu sein, daß die Türkei eine Militärbasis in Aserbaidschan errichten will und sich zudem an der Modernisierung einer existierenden beteiligen wird.

Erinnert dies nicht ein wenig an die aggressive Politik der USA in Zentralasien? Hier wie dort scheint es unter dem Mantel des Kampfes gegen den Terrorismus einfach um die Ausweitung und Absicherung von Einflußbereichen zu gehen. Hier wie dort geht es um Erdöl und Erdgas. Will man sich in dem einen Fall den Zugriff sichern, muß man ihn im anderen Falle absichern. Auch wenn hier noch einiges im Bereich der Spekulationen bleibt, so berichteten russische Zeitungen über die kürzlichen türkisch-amerikanischen Gespräche in den USA, die gerade die türkische Präsenz im Südkaukasus zum Thema hatten. Und wie soll man es wohl werten, daß türkische Militärexperten in Georgien die Modernisierung der früheren russischen Militärbase - sie wurde im Sommer letzten Jahres an Georgien zurückgegeben - auf die Tagesordnung setzten?

Kann überhaupt ein Sicherheitsabkommen, das nur einen Teil der Länder in dieser ungemein fragilen und von vielfältigen Konflikten geprägten Region einschließt, Gutes bringen? Armenien äußerte sich mit größter Besorgnis. Offiziell verlautete aus Jerewan, ein solches Sicherheitsabkommen werde die strategische Balance der gesamten Region gefährden. Und mehr noch. Armenien befürchtet, daß Aserbaidschan, sich auf die Hilfe der Türkei stützend, den an einem toten Punkt angelangten Verhandlungsprozeß um Nagorny Karabach ganz aufgeben und auf eine "Gewaltlösung" setzen könnte. In den letzten Monaten sind in Aserbaidschan in der Tat immer wieder und immer lauter Stimmen zu hören, die eine militärische Lösung zur Wiedereroberung der aserbaidschanischen Gebiete, einschließlich Karabachs, fordern. Ob dies zwangsläufig Rußland und die USA auf den Plan rufen würde, bleibt ungewiß, auch wenn beide stets betont haben, daß es für Karabach eine ausschließlich politische Lösung geben müsse. Denn schließlich: Wieviel Aufmerksamkeit wird der Entwicklung im Kaukasus derzeit in den USA tatsächlich entgegengebracht. Washington scheint nichts gegen eine stellvertretend handelnde Türkei zur Ausweitung beziehungsweise Wahrung strategischer Interessen im Kaukasus zu haben. Und Rußland? In manchen bissigen Kommentaren läßt sich eine recht einfach Erklärung für ein mögliches künftiges Stillhalten des Kreml finden. Nachdem Aserbaidschans Präsident Alijew dem Drängen Rußlands auf Verlängerung des Nutzungsvertrages für die Gabala-Radarstation für zehn Jahre stattgegeben hat, wird Rußland keine Einwände erheben. Der Kreml wertet diese Station als essentiell für sein Luftverteidigungsfrühwarnsystem - und liegen die eigenen Sicherheitsinteressen nicht immer näher, zumal sich Rußland überhaupt darauf zu orientieren scheint, sich aus Konfliktzonen stärker herauszuhalten.

Man wird sehen, wie Armenien, das sich offenbar eines zunehmend guten Rufes und einer zunehmenden Akzeptanz in Westeuropa und den USA erfreut, seine Interessen über starken Lobbyismus schützen und sichern kann. Irgendwie scheint man da keine Befürchtungen haben zu müssen.
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